Christos Kunstprojekt „The Floating Piers“ auf dem Iseosee
Ein Beitrag von Fred Eversmann
Im Juni 2016 rückte der lombardische Iseosee, der viertgrößter der oberitalienischen Seen in den Alpen, in den Blickpunkt der internationalen Kunstwelt. Diesen touristisch eher unbekannten Ort hatte Objekt- und Verpackungskünstler Christo, bekannt durch die mit seiner inzwischen verstorbenen Ehefrau Jeanne-Claude 1995 inszenierte Verhüllung des Reichstags in Berlin, für die Durchführung seines neuesten Kunstprojekts ausgewählt.
„The Floating Piers“ wurden als spektakuläre Objektinstallation in Form begehbarer schwimmender Stege realisiert, die in über drei Kilometern Länge zwei Inseln des Sees mit dem Festland verbanden und für zwei Wochen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden.
Allein schon der logistische Aufwand hinter dieser Großveranstaltung war beeindruckend:
100.000 Quadratmeter glänzender orangefarbener Stoff, 220.000 luftgefüllte und mit Schwimmkörpern versehene Polyethylenwürfel, 200 jeweils fünfeinhalb Tonnen schwere mit Haken versehene Verankerungen, 3 Kilometer lange, 16 Meter breite und 40 Zentimeter hohe Stege plus 2,5 km verhüllte Gehwege an Land im Ort Sulzano und auf der Insel Monte Isola, barrierefreier Zugang für Kinderwagen, Rollstühle und Rollatoren, 500 Mitarbeiter und freiwillige Helfer, darunter 150 Wachleute und 30 Rettungsschwimmer.
Das Publikumsinteresse an diesem Event war enorm. Statt der vorab erwarteten 500.000 waren es am Ende fast 1,3 Millionen Besucher, die an dem Spektakel teilhaben wollten. Lange Wartezeiten beim Zugang waren die Folge, denen man allerdings in den frühen Morgenstunden gut entgehen konnte. Hier war es am ehesten möglich, dem sinnlichen Erlebnis nachzuspüren, das der Gang auf dem Wasser nach Ansicht des Initiators vermitteln sollte.
Fotografisch gesehen war es das leuchtende Orange, das im Kontrast zu den dunklen Farben des Wassers und der umliegenden Berge den Akzent setzte. Doch auch der krasse Gegensatz zwischen der Postkartenidylle des Iseosees und der über das Wasser strömenden Menschenmenge bot viele reizvolle Motive.
Trotz seines immensen Erfolgs wurde das Kunstwerk nach 16 Tagen wie vorgesehen wieder abgebaut. Nach den Worten Christos ist es die Vergänglichkeit, die dieses Kunstwerk ausgemacht hat. Kein tieferer Sinn war ihm zugedacht als Freude und Schönheit zu vermitteln – und eben das ganz besondere Gefühl, auf dem Wasser gehen zu können.