Ein Bericht von Dieter Vollmer
Im polnischen Wolsztyn befindet sich das letzte Bahnbetriebswerk für regelspurige Dampflokomotiven in Europa. Diese Ausnahmestellung verschafft der Kleinstadt (13.500 Einwohner) ca. 130 Kilometer östlich von Frankfurt/Oder einige Berühmtheit und in diesem Zusammenhang regelmäßige Besuche von Eisenbahnfreunden aus aller Welt. Man legt dort allerdings Wert darauf, dass es sich keinesfalls um einen Museumsbahnbetrieb handelt, sondern die Dampflokomotiven werden im regulären Liniendienst eingesetzt.
Bei meinem Besuch im Oktober befand sich nur eine Maschine im Einsatz, während eine andere Lok in der eigenen Werkstatt einer Reparatur unterzogen wurde. Im Lokschuppen stehen weitere Maschinen, die teilweise nur zu besonderen Anlässen, wie etwa dem jährlichen Dampflokfest, angeheizt werden. Für weniger als umgerechnet zwei Euro kann das Bw-Gelände betreten werden; das Fotografieren ist überall erlaubt. Der fotografische Reiz liegt darin, bei allen Arbeiten an den Loks nahe dabei sein zu können, für Sicherheitsfanatiker sicher eher eine Horrorvorstellung. Den Anweisungen des Personals ist natürlich Folge zu leisten, und bei einem guten Einvernehmen bekommt man auch schon mal das Angebot, auf der Lokomotive mitfahren zu dürfen.
Man muss auch keine Befürchtungen hegen, dass allzu viele Fans im Wege stehen könnten, der Andrang im Herbst und Winter ist überschaubar.
Bewundernswert ist das Improvisationsvermögen des Personals, kleinere Reparaturen an der Lok werden auch mal unterwegs erledigt oder – wie bei meinem morgendlichen Besuch um sechs Uhr – noch vor der Abfahrt, dies allerdings zum Unmut der Fahrgäste, die als gewöhnliche Pendler genau so ungehalten reagieren wie wir hier bei Unpünktlichkeit der Bahn.